Aus dem tagebuch eines züchters


 

Züchter zu werden ist keine Entscheidung, die man über Nacht trifft. Ich musste zuerst Mitglied im LCD werden, um dann die angeforderten Prüfungen mit unserer Hündin zu bestehen. Als Züchter muss man ein Züchterseminar durch eine Prüfung bestehen und damit unter Beweis stellen, dass man über das nötige Wissen für eine Zucht verfügt.

 

Das heißt: es wurden Hüfte und Ellbogen der Hündin geröntgt und bewertet, ihre Augen wurden untersucht, genau wie nach vererbbaren Krankheiten ihr Blut getestet wurde. Der Zahnstatus muss ebenfalls den Anforderungen der Zuchtordnung entsprechen. Ich habe mit ihr an einem Wesenstest teilgenommen, bei welchem ihr Verhalten unter die Lupe genommen wurde. Zum Beispiel, ob sie sich in gewissen Situationen ängstlich oder gar aggressiv verhält. Während der Formwertprüfung wurde geschaut, dass ihr Äußeres auch dem Standard entspricht.

 

Nachdem all diese Prüfungen erfolgreich bestanden wurden, konnte sie als zugelassene Zuchthündin in den Verein LCD aufgenommen werden.

 

Nun durften wir einen passenden Deckrüden suchen und unsere Zuchthündin bei ihrer nächsten Hitze decken lassen.

 


Tag 1

 

Ich fühle mich wie ein Zombie. Verständlich, nach zwei Tagen, in welchen ich meiner Hündin überallhin gefolgt bin, da sie jetzt während der Geburt in einem Ausnahmezustand ist. Jetzt sind alle Welpen putzmunter auf der Welt und haben einen Bärenhunger. Damit es immer genug an der Milchbar zu saufen gibt, muss ich dementsprechend oft die Hündin füttern.

 

Ich verkrieche mich in mein behelfsmäßiges Bett vor der Wurfkiste, nachdem ich die Kleinen ein letztes mal unter dem kritischen Blick ihrer Mutter gewogen habe.

 

Um immer mitzubekommen wie es den Zwergen geht, werde ich die nächsten 5 Wochen hier unten im Wohnzimmer übernachten. Immer in Reichweite falls etwas passiert.

 

Aber der Anblick einer glücklichen Mutter, die sich mit Liebe um ihre Kleinen kümmert, lässt einen beruhigt einschlafen.

 


Tag 2

 

Langsam macht mir der Schlafmangel zu schaffen, Kaffee ist mein bester Freund.

 

Ich bin in der letzten Nacht sechs mal aufgestanden, weil entweder die Hündin oder die Welpen meine volle Aufmerksamkeit brauchten. Nachdem das Rudel und die Neugeborenen morgens um sechs versorgt waren, konnte ich mich nochmal kurz hinlegen.

 

Bis die Kleinen drei Wochen alt sind und langsam anfangen mehr die Welt wahrzunehmen, wird meine Routine aus wiegen, Lagerwechseln und die Zwerge immer im Blick zu haben, bestehen.

 

 

 


Tag 14

 

Ich komme mir ein wenig grausam vor.

 

Heute gab es die erste Wurmkur und da die Kleinen noch keine andere Nahrung außer Milch zu sich nehmen, gab es Wurmkur pur. Es steht ganz außer Frage, ob die schmeckt, ganz eindeutig absolut überhaupt gar nicht …

 

Und der empörte Blick von der Mutter der Kleinen machte es nicht besser. Aber die Wurmkur ist ja wichtig und gut für sie und ich habe es extra so abgepasst, dass sie den widerlichen Geschmack direkt mit Milch wegspülen konnten.

 


Tag 19

 

Sie sind einfach so niedlich, ich könnte sie den ganzen Tag nur knuddeln.

 

Aus kleinen halboffenen, strahlend blauen Augen wurde ich heute angeschaut. So langsam machen sie ihre Augen auf und anscheinend auch ihre Ohren. Da sie auf Geräusche reagieren und ihr winziges Köpfchen in alle Richtungen drehen, um keine neuen Wahrnehmungen zu verpassen.

 

Es ist so spannend sie einfach nur zu beobachten, wie sie langsam die Welt wahrnehmen.

 

Ein paar von ihnen versuchen sich sogar schon auf ihre Beinchen zu stellen. Noch ganz wackelig und nur kurz bevor sie wieder einknicken und umfallen.

 

Sie lassen mich auch länger schlafen, was ich wirklich zu schätzen weiß.

 


Tag 27

 

Das Leben als Kauknochen ist sehr deprimierend, ich glaube wir haben in Wahrheit aus Versehen Piranhas gezüchtet.

 

Nicht nur, dass die kleinen spitzen Welpenzähne durchkommen, wir haben sie heute auch angefüttert. Piranhas! Es endete damit, dass sich um die Reste gestritten wurde und sie beim Fressen vor Aufregung vibriert haben. Ich kann ja nach Wochenlanger Milchdiät die Euphorie bei der Abwechslung verstehen, aber wären sie nicht so niedlich, hätten sie einem Angst machen können. Außerdem kommen sie jetzt schon aus der Wurfkiste herausgestolpert und erobern das Welpengehege.

 

Sie fangen sogar an zu spielen! Zwar in Zeitlupe und sehen dabei aus wie Betrunkene, weil das mit dem Koordinieren der Körperteile  noch eine Herausforderung darstellt.

 

Unser großes Rudel beneidet sichtlich die kleinen Welpen, da diese so viel Besuch von den zukünftigen Besitzern bekommen. Besuch, der nicht kommt um sie zu streicheln sorgt für Empörung bei den Großen. Doch zum Glück schlafen die Kleinen noch sehr viel und dann muss der Besuch ja auch aus dem Gehege raus kommen. Jetzt sind die Großen dran.

 

Doch wirklich böse können unsere Großen den Welpen auch nicht sein, da sich gerade die Ladys alle selbst liebend gern um die Kleinen kümmern würden. Solche Übermütter …

 


Tag 28

 

Es tut mir leid, ich musste wieder gemein sein. Heute stand die zweite Wurmkur an. Überraschung! Sie ist immer noch widerlich …

 

Die Kleinen werden immer aktiver und wir können anfangen sie an Dinge zu gewöhnen. Für diese Prägezeit haben wir nämlich eine ganze Liste. Die Prägephase darf man ja nicht einfach so verstreichen lassen, also machen wir schon mal den Anfang. So gewöhnen wir sie zum Beispiel schon jetzt an Alltagssituationen.

 

Genauso wie wir gestern mit ihnen im Welpenaußengehege waren und heute auf unserem „Welpenspielplatz“. Jetzt schlafen sie alle seelenruhig und ich kann früher ins Bett gehen.

 

 

 


Tag 32

 

Ich habe mich heute wie ein Zoobesucher gefühlt, auch wenn ich ja eigentlich mehr der Tierpfleger bin.

 

Die Tage kommen die Besitzer in Spe und gemeinsam bestimmen wir, welcher Welpe zu welcher Familie am Besten passt. Also habe ich mir heute sehr viel Zeit genommen und die Kleinen einfach nur beobachtet, wie im Zoo …

 

Einer verhält sich selbstbewusster, ein anderer ist total gechillt und die Kleine ist eine ganz Taffe, doch alle sind sie verschmust und neugierig. Das konnten wir heute auch gut beobachten, denn wir haben sie zum ersten mal aus dem Gehege in den unbekannten Teil des Wohnzimmers gelassen. Man hat direkt gesehen, wer etwas vorsichtiger war und wer mit wehenden Fahnen das Wohnzimmer stürmte.

Mit Decken und Kissen haben wir vorher das Wohnzimmer welpensicher gemacht und trotzdem war es, wie ein Sack Flöhe zu hüten. Ich bin geschafft, aber habe glaube ich genug heute und die Tage beobachtet, um den zukünftigen Besitzern außreichend über jeden Einzelnen etwas sagen zu können.

 

 

 


Tag 40

 

Oh Gott, ich muss mich für eine Stunde hinlegen … oder für zwei oder drei … Tage …

 

Da ich nicht so schnell putzen kann, wie die Kleinen Dreck hinterlassen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass ich irgendwie nichts anderes am machen bin. Wo wir gerade beim Saubermachen sind, heute war Badetag für die Welpen.

 

Also habe ich mich der Bande tapfer mit einer Wäschewanne mit warmen Wasser, Welpenshampoo und viieelen Handtüchern gestellt.

 

Ich habe sie erst alle in die Wufkiste gesperrt, was lautstarke Proteste einbrachte, und habe das Gehege routiniert geputzt. Dann habe ich mir Einen nach dem Anderen aus der Wurfkiste geholt und in der Wäschewanne gebadet. Zuerst war jeder verwirrt, aber doch interessiert an dem Wasser. Es wurde versucht das Wasser zu trinken, zu hauen oder gar einzuatmen …

 

Dann habe ich die Kleinen mit Handtüchern getrocknet und siehe da, das Fell ist weich und riecht gut. So weit so gut. Doch was dann? Ich konnte sie schlecht unbeaufsichtigt ins restliche Wohnzimmer lassen. Also blieben die Sauberen mit bei mir im Gehege.

 

Es sind Labradore, Labradore lieben Wasser. Jeder wollte wieder zurück ins Badewasser. Es endete im Chaos und einer Überschwemmung …

 

Für den nächsten Badetag trommel ich mir besser eine Armee an Helfern zusammen.

 

Nach dem Badespaß und einem ausgiebigen Nickerchen, habe ich die Uroma und Oma der Welpen zu ihnen gelassen. Ich dachte die Rabauken brauchen etwas Erziehung und wir haben ja genug Mütter dafür. Es war wirklich schön mitanzusehen wie sie während dem Spielen von den Großen ruhig und bestimmt Grenzen aufgezeigt bekommen haben.

 

Deswegen bin ich k.o. und freue mich auf mein Bett.

 

Memo an mich: Ich muss dran denken ihnen übermorgen die dritte Wurmkur zu geben, aber dieses mal zum Glück in Quark vermischt, das überdeckt den ekelhaften Geschmack.

 


Tag 45

 

Hier bleibt keine Zeit für Langeweile.

 

Es gibt noch so viel zu erkunden für die kleinen Welpen. Wir sind heute mit ihnen Auto gefahren. Da sich unser erster Hund immer während der Fahrt übergeben musste, üben wir dies mit den Kleinen schon von früh auf. Auch sonst lernen sie jeden Tag was Neues und zwischendurch kommen immer die Besitzer in Spe zur Bespaßung, so kann ich noch die letzten Fragen beantworten und Ratschläge geben. Deshalb ist immer bei uns etwas los, was auch die Großen freut, denn für sie sind Menschen immer willkommen. Besonders wenn sie ausdauernde Streichler sind.

 

 

 


Tag 50

 

Ich kann nachvollziehen warum heute der Tag bei den Welpen nicht als der Beste in Erinnerung bleibt.

 

Zuerst hatte ich genug Helfer, dass beim Baden jeder nur einmal dran kam und danach auch nicht mehr in die Wanne klettern konnte.

Heute kam außerdem auch noch der Tierarzt zum Impfen und Chippen. Wir bestellen unseren Tierarzt zu uns nachhause, damit Tierarztpraxen nicht als negativ empfunden werden. Auch wenn die Kleinen ein dickes Fell haben und kaum einer auch nur einen Ton von sich gibt, kann ich mir was Angenehmeres vorstellen.

 

Sie haben die Situation tapfer gemeistert und jetzt ist wieder ein Nickerchen an der Reihe.

 

 


Tag 58

 

Heute kann ich stolz zu Bett gehen ( mein richtiges Bett mittlerweile, weil auch die Mutter der Kleinen nicht mehr bei ihnen schläft).

 

Die Zuchtwartin des LCD war für die Wurfabnahme da gewesen. Sie hat sich sämtliche Gehege, ob drinnen oder draußen, angesehen und alles dokumentiert. Jeder Welpe wurde einzeln begutachtet und ich habe ihr genau erklärt, wie die Kleinen bei uns groß werden.

 

Dem Bericht zu urteilen, war sie wirklich sehr zufrieden und ich kann die Welpen guten Gewissens mit Papieren an gute Familien abgeben. Die neuen Besitzer sind schon alle total aufgeregt und zählen die Stunden bis das neue Familienmitglied mit nach Hause darf.

 

 

 


Tag 62

 

Mir ist heute zwar ein Tränchen geflossen, aber alles in allem bin ich glücklich.

 

Die ersten Welpen sind heute aus dem Haus gegangen. Sie sind mir ja wirklich ans Herz gewachsen, jedoch bin ich froh, dass sie nun in ihren Familien die Aufmerksamkeit und Liebe bekommen, die sie verdienen. Also winke ich jedem Einzelnen von ihnen mit einem lachenden und einem weinendem Auge hinterher.

 

Sie sind ja nicht aus der Welt und zu vielen Besitzern habe ich immer noch guten Kontakt und weiß fast immer wie es den Kleinen so ergeht. Außerdem steh ich den Besitzern weiterhin mit Rat und Tat zur Seite.

 


 

Es ist verhältnismäßig still.

 

Wir haben das Welpengehege wieder abgebaut, den Zaun abmontiert, die Wurfkiste eingelagert, den Fußboden des Geheges (Teichfolie) zusammengerollt und die Styroporplatten für den Wärmeschutz wieder eingepackt.

 

Der Alltag wird wieder wie zuvor, was dem großen Rudel zu Gute kommt. Ich habe wieder mehr Zeit die Spaziergänge länger ausfallen zu lassen und generell mehr mit ihnen zu spielen.

 

Das wird auch erst mal eine lange Weile so bleiben, doch im Hinterkopf ist nächstes Jahr der nächste Wurf geplant. So lange bleibt das komplette Wohnzimmer genau das, ein Wohnzimmer. Bis zum nächsten Wurf zumindest …